Der Sprung vom Kollegen zum Vorgesetzten ist einer der größten Schritte in der Karriere. Plötzlich stehen nicht mehr nur Fachaufgaben im Fokus, sondern Menschenführung. Regelmäßig begleite ich als Karriere-Coach Führungskräfte in dieser kritischen Phase.
Fehlt die Vorbereitung – etwa durch ein internes Programm –, fühlen sich viele „ins kalte Wasser geworfen“. Die Folge: Kommunikationshürden, Stress und unsichere Teams. Damit Sie souverän starten und die Leistungsbereitschaft Ihres Teams hochhalten, lohnt sich der Blick in die Wissenschaft, besser in die Neurowissenschaften.
Hier sind fünf fundierte Strategien aus der Neurobiologie, die Ihnen helfen, „hirngerecht“ zu führen.
1. Kooperation statt Konkurrenz: Nutzen Sie das „Wir-Gefühl“
Lange hielt sich der Mythos vom „egoistischen Gen“ (Richard Dawkins). Doch der Mediziner und Neurobiologe Prof. Joachim Bauer widerlegt dies in seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit“.
Die zentrale Erkenntnis aus seinem Buch: Unser Gehirn schüttet den stärksten Cocktail an Glückshormonen (Dopamin, Oxytocin) nicht aus, wenn wir andere besiegen, sondern, wenn uns soziale Verbundenheit und gemeinsames Gelingen widerfahren.
Ihr To-Do als Chef: Ein „Ellenbogen-Klima“ oder interne Rankings arbeiten gegen die menschliche Biologie. Sorgen Sie für gemeinsame Ziele, die Sie mit dem Team vereinbaren. Das steigert das Engagement nachhaltig.
2. Soziale Resonanz: Die Währung des Gehirns
Geld ist wichtig, aber ab einem gewissen Punkt nicht mehr der Hauptmotivator. Das menschliche Motivationszentrum springt vor allem auf eines an: Soziale Resonanz bzw. Akzeptanz.
Das bedeutet: Das Gehirn sucht nach Zuwendung, Wertschätzung und Anerkennung. Fehlt diese emotionale Bindung, schaltet das Motivationssystem in den „Dienst nach Vorschrift“-Modus – eine biologische Schutzreaktion, keine Faulheit.
Wichtig: Der Gallup-Engagement-Index zeigt jährlich, dass oft nur ca. 15 % der Mitarbeitenden hoch motiviert sind. Der Rest hat innerlich bereits gekündigt oder macht nur das Nötigste. Der Hauptgrund ist meist fehlende Wertschätzung durch die Führungskraft.
3. Vorsicht Schmerzgrenze: Soziale Ausgrenzung tut körperlich weh
Worte können verletzen – und das ist wörtlich zu nehmen. Studien der Neurowissenschaftlerin Naomi Eisenberger zeigen, dass soziale Zurückweisung, wie z.B. Ignorieren oder ungerechtes Kritisieren, im Gehirn im gleichen Areal verarbeitet wird wie körperlicher Schmerz.
Angst und sozialer Stress blockieren somit den präfrontalen Cortex. Das ist der Teil des Gehirns, den Ihre Mitarbeiter für Problemlösung und Kreativität brauchen. Die amerikanische Psychologin, Prof. Amy Edmonson, hat hierzu geforscht und herausgefunden, dass Mitarbeitende in einem angstfreien Klima viel bessere Leistungen erbringen.
Ihr To-Do: Etablieren Sie Psychologische Sicherheit in Ihrem Team. Nur in einer angstfreien Umgebung, in der Fehler offen angesprochen werden dürfen, kann Ihr Team Spitzenleistung bringen.
4. Spiegelneuronen: Sie sind der „Stimmungs-Infizierer“
Haben Sie bemerkt, dass schlechte Laune ansteckend ist? Schuld dafür sind die Spiegelneuronen. Wir simulieren stets – völlig unbewusst – das Verhalten und die Gefühle unseres Gegenübers.
Wenn Sie nun als Führungskraft gestresst oder zynisch in das Meeting kommen, aktivieren sich bei Ihren Mitarbeitenden sofort ähnliche Stressmuster – noch bevor Sie ein Wort gesagt haben. Machen Sie sich diese Wirkung einmal bewusst! Nun verstehen Sie evtl. nochmals besser Ihre Vorbildfunktion. Auch können Sie erkennen, wie wichtig in diesem Zusammenhang Emotionskontrolle bzw. Emotionsregulation ist. Dies ist ein Thema, an dem Sie – gerne auch in meinem Führungskräfte-Coaching – arbeiten können.
Ihr To-Do: Führung beginnt mit Selbstführung und Emotionskontrolle. Versuchen Sie, Zuversicht und Ruhe auszustrahlen. Das stabilisiert das ganze Team.
5. Richtig kritisieren mit dem WWW-Prinzip
Angst ist ein Motivationskiller, aber Kritik muss manchmal sein. Wie können Sie also Feedback geben, ohne den „sozialen Schmerz“ auszulösen? Kritisieren Sie niemals die Person, sondern immer nur das Fehlverhalten. Wenn Sie Feedback geben wollen, machen Sie dies binnen 48 Stunden. Sprechen Sie in einem sachlichen Tonfall.
Nutzen Sie dafür das WWW-Prinzip als Leitfaden für konstruktive Kritik unter vier Augen:
- W – Wahrnehmung: Schildern Sie sachlich die Situation.
- Schlechte Formulierung:„Immer sind Sie unhöflich!“
- Gute Formulierung:„Mir ist aufgefallen, dass Sie mir gestern zweimal ins Wort gefallen sind.“
- W – Wirkung: Erklären Sie als „Ich-Botschaft“, was das mit Ihnen emotional macht.
- Beispiel: „Mich irritiert das, weil ich meinen Gedanken gerne zu Ende führen möchte. Mir ist gegenseitiger Respekt wichtig.“
- W – Wunsch: Formulieren Sie eine klare Erwartung.
- Beispiel:„Ich wünsche mir (oder erwarte), dass Sie mich zukünftig aussprechen lassen.“
Fazit: Investieren Sie in Beziehungskompetenz
Gute Führung ist im Kern Beziehungsarbeit. Wenn Sie das „Wozu“ (den Sinn) für die anstehendenden Arbeiten vermitteln und psychologische Sicherheit gewährleisten, folgt die Leistung fast von allein.
Sie merken, dass Sie in diesen Themen noch unsicher sind? Wenn Sie Unterstützung bei Ihrer neuen Rolle wünschen, kontaktieren Sie mich gerne für ein professionelles Führungskräfte-Coaching
